Anfang Oktober 2000 flog ich nach längerer Pause wieder einmal zu einem Urlaub ins gelobte Land, doch war mir schon während den Reisevorbereitungen klar, dass diese Reise etwas besonderes werden würde. Die Hauptgründe dafür waren zum Ersten die von mir gewählte Reiseroute, die mich über 5000 Meilen von L.A. nach Houston und zurück führen sollte und zum Zweiten die fixe Idee, diese Strecke mit einem eigenen Auto statt wie gewohnt mit dem Alamo/Budget/Hertz/Avis...-Corolla zurückzulegen. Ich hatte auch schon eine ziemlich genaue Vorstellung von meinem Wunschgefährt. Unter Berücksichtigung meiner finanziellen Möglichkeiten, der Angebotslage und nicht zuletzt meines Geschmacks reduzierte sich der Kandidatenkreis auf einige Mitt-60-er Full-Size-Karossen, u.a. von Chrysler, Buick und Mercury.
In L.A. angekommen, wurde mir schon bald klar, dass ich bei meiner Preisvorstellung von ca. 1500 $ auf etwas Glück angewiesen sein würde, um innerhalb von 2 Wochen ein passendes Auto zu finden. Ich nahm mir notgedrungen ersteinmal einen Mietwagen und studierte nach einem geilen Wochenende bei der Hot Rod Reunion in Bakersfield zunächst die Anzeigen in Autotrader, Recycler und im Internet. Einige Angebote klangen vielversprechend, erwiesen sich aber bei der Besichtigung als 1. zu verbeult (´65 Imperial), 2. zu rostig (´63 Mercury, ´65 Buick), oder 3. zu kaputt (´66 Chrysler 300). Mir blieb also nichts anderes übrig, als auf den Swap Meet in Pomona als letzte Chance zu hoffen, da ich bis auf die ersten zwei Wochen einen sehr engen Zeitplan für meine Reise hatte, bedingt durch das NHRA-Rennen in Houston und die großen Entfernungen, die ich dabei zurückzulegen hatte.
Wer in Pomona etwas sehen und vor allem kaufen will, muß früh aufstehen, und so waren wir (ein guter Freund von mir war mitgekommen, um diverse Ersatzteile für seine Corvette zu besorgen)
schon um 6 Uhr 30 früh im Pomona Fairplex angekommen und begaben uns sogleich auf die Suche.
Nach etwas über einer Stunde hatte ich mir schließlich halbwegs einen Überblick übers Angebot verschafft und mir 2 Kandidaten ausgesucht: Einen schwarzen ´64-er T-Bird für 1800 (nach dem Handeln) und einem ´66-er Chrysler 300, der zwar einen sehr guten Eindruck machte, aber mit 2800 $ entschieden zu teuer war, zumindest für meine Brieftasche. Da der Besitzer nicht in der Nähe war, konnte ich mir jetzt erst einmal den "Rest" des Swap Meets anschauen.
Einige Stunden und viele Kilometer später traf ich dann auch den Chrysler-Verkäufer an, einen netten Mitt-50-iger mit weißem Vollbart, der mit dem Erlös ein Street Rod - Projekt finanzieren wollte. Zu meiner Überraschung war er bereit, den Wagen um ein Drittel billiger herzugeben, und nach einer kurzen Probefahrt durch die Stadt und einer Finanzspritze meines Freundes (Ich hatte nicht genug Bares dabei) war der Deal perfekt: Ich hatte ein solides und rostfreies Fahrzeug mit neuen Reifen und 91.000 Meilen auf dem Tacho, dem man die Strecke L.A. - Houston - L.A. zutrauen konnte.
Bis dahin hatte ich jedoch noch eine Woche Zeit, um den Wagen auf Herz und Nieren zu prüfen und den auch in diesem Land notwendigen Behördenkram zu erledigen. Die Gummis der Vorderradaufhängung sowie alle Flüssigkeiten wurden ausgewechselt, ebenso die Zündkerzen und -Kabel. Ein Abstecher zu Memory Lane (großer Oldtimer-Abbruch, 1131 Pendleton, Sun Valley, zw. Van Nuys u. Glendale) brachte mir das fehlende Reserverad, die AAA (Autofahrerklub von Südkalifornien) übernahm für einige Dollar die Umregistrierung und ein Versicherungsmakler (einfach im Telefonbuch unter Insurance-Brokers nachschlagen; und ganz wichtig: internationaler Führerschein!) besorgte mir eine 1-Monatsversicherung für 150 $. Ich würde es nicht empfehlen, auf diese zwei Schritte zu verzichten, da die Polizei rigoros gegen jeden vorgeht, der ohne Versicherung oder gültigen Title herumfährt.
Der Chrysler bestätigte in dieser ersten Woche jedenfalls den guten Ersteindruck und erwies sich auch technisch als zuverlässig. Das einzige, was unangenehm auffiel, waren die vorderen Stoßdämpfer, die sich schon beim ersten Ausflug in die Hollywood Hills durch lautes Quitschen bemerkbar machten, das mich von da ab begleiten sollte.
Ich verzichtete jedoch aus Zeitmangel und finanziellen Erwägungen auf ein Auswechseln und kaufte mir stattdessen einen CD-Player, um die störenden Geräusche zu übertönen.
Bepackt mit Reserveöl für Motor und Getriebe, Kühlerflüssigkeit, Büchern, Strassenkarten und jeder Menge CDs machte ich mich schließlich auf den Weg nach Osten, immer auf der Interstate -10.
Ich kam ohne Zwischenfälle spät Abends in Phoenix an, verschätzte mich jedoch gleich gründlich bei meiner Tankanzeige und blieb so mit leerem Tank auf einer Autobahnausfahrt liegen. Ohne Handy musste ich eine halbe Stunde warten, bis endlich ein großer Pickup stehenblieb und zwei farbige Zeitgenossen mir anboten, mich von der Autobahn runter und bis zur nächsten Tankstelle zu schieben. Mir blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen und ein paar Kratzer in der Stoßstange in Kauf zu nehmen. Mit vollem Tank ging es schliesslich weiter auf der Suche nach einem Campingplatz. Ich folgte so gegen 2 Uhr früh schließlich einer entsprechenden Hinweistafel auf dem Gebiet des Gila River Indianerreservats, musste jedoch feststellen, daß der Campingplatz nicht mehr existierte.
Stattdessen blieb ich beim Versuch umzudrehen neben der Strasse im tiefen Lehmboden stecken, da dieser beim kargen Mondlicht fester ausgesehen hatte, als er tatsächlich war. Glücklicherweise kam schon nach 10 min ein freundlicher Indianerpolizist vorbei und zog mich mit seinem Ford Bronco wieder auf die Strasse. Ich folgte seinem Rat und übernachtete im Auto auf dem Parkplatz des einzigen Ladens in der Nähe. Zum Glück hatte ich einen Full Size und keinen Ponycar gekauft.
Am nächsten Tag fuhr ich ohne weitere Zwischenfälle bis El Paso und schon an der Staatsgrenze offenbarte sich der Nationalstolz der Texaner durch zwei riesige Sterne am Rand des Highways, die jedem Neuankömmling unweigerlich klarmachten, in welchem Bundesstaat er sich jetzt befand. In El Paso fand ich dann auch ohne Mühe einen richtigen R.V. Park, der mich und mein Auto für stolze 15$ für eine Nacht aufnahm. Ich war nach den Abenteuern vom Vortag etwas müde und beschloß auf eine Stadtbesichtigung zu verzichten und mich gleich hinzulegen.
Gut ausgeruht ging es am nächsten Morgen an die nächste Etappe, die mich quer durch die großen Ebenen nach Sonora führen sollte. Kurz nach Van Horn musste ich durch einen kurzen, aber heftigen Regenschauer, doch der Chrysler war trotz der porösen Fenstergummis dicht und danach vor allem wieder sauber. Das Gewitter war jedoch nichts im Vergleich zu denen, die wenige Tage zuvor in dieser Gegend gewütet hatten, denn einige Städte waren regelrecht überflutet.
In Van Horn kam mir mein Wagen wirklich wie ein Boot vor, das Wasser war an einigen Stellen bis zu einem halben Meter hoch.
Da ich meinem ursprünglichen Zeitplan etwas voraus war, beschloß ich nicht in Sonora zu übernachten, und gleich bis San Antonio durchzufahren. Dort begab ich mich wieder auf die Suche nach einem Campingplatz, und fand schließlich nach längerer Irrfahrt durch die Stadt einen richtigen Campingpark. Ich stellte den Chrysler auf eine freie Stelle, die eigentlich für ein fahrbares Haus vorgesehen war, und verbachte eine ruhige und vor allem kostenlose Nacht.
Durch den bei der letzten Etappe erzielten Zeitgewinn hatte ich nun nur noch 200 Meilen bis Houston/Baytown zurückzulegen, wo ich das frühzeitig reservierte Zimmer im Motel 6, nur 5 min. von der NHRA-Rennstrecke, bezog.
Die nächsten 3 1/2 Tage verbrachte ich überwiegend am Dragstrip und es blieb mir leider nur wenig Zeit für etwaige Stadtbesichtigungen. Ein paar Mal Billardspielen am Abend war dann schon so ziemlich alles.
Montag ging es dann in aller Früh weiter, schließlich stand die mit 600 Meilen längste Etappe meiner Reise auf dem Programm. Vorbei an der imposanten Skyline von Dallas ging es unaufhaltsam (bis auf die regelmäßigen Tankstopps) Richtung Route 66/Interstate 40.
Diese erreichte ich schließlich spät abends und bei völliger Dunkelheit in Shamrock, Texas.
Hier ein billiges Motel zu finden ist nicht schwierig, viel los ist allerdings nicht. Ich weiß nicht, ob es an der Jahreszeit (Anfang November) lag, aber die Stadt wirkt fast ausgestorben. Die in diversen Route 66 - Büchern erwähnten Cafes und Souvenirläden sind oft schon wieder geschlossen und das naßkalte Wetter trug zumindest in meinem Fall auch nicht gerade zur Atmosphäre bei.
Ich übernachtete im Route 66-typischen Texas Motel für 24 $, knipste ein paar Erinnerungsfotos und fuhr weiter Richtung Westen. Schon bald wird klar, daß die 66 der Aufhängung meines Chryslers nicht gut tut: Die ohnehin schon altersschwachen Stoßdämpfer quitschen, sobald man unter 80 km/h fährt, und das sicher nicht vor Freude. Ich halte kurz im malerischen Städtchen McLean und sehe mir die restaurierte Phillips 66-Tankstelle und etliche Autowracks aus den 30-ern bis 60-ern an, die in diesem Ort offenbar an fast jeder Ecke stehen.
Dann geht es abwechselnd auf der I-40 und der alten 66 weiter durch Groom, vorbei am berühmten schiefen Wasserturm und schließlich Conway, wo es weitere Autowracks zu bestaunen gibt.
Das Wetter wurde zusehends besser und ich konnte mich auf ein gutes Mitagessen in der berühmten Big Texan Steak Ranch in Amarillo freuen. Die Spezialität dieses wirklich riesigen Restaurants mit angeschlossenem Motel ist ein über 2 kg schweres Steak, welches wenn es innerhalb einer Stunde inklusive Beilagen (große Portion Salat und Backkartoffel) vernichtet wird, nicht bezahlt werden muß. Ich verzichtete jedoch auf dieses Festmahl (selbsverständlich nur der Gesundheit zuliebe), und begnügte mich mit einem normalen, aber ebenfalls sehr leckeren Steak.
Wenn man schon einmal in Amarillo ist, darf man die Cadillac Ranch natürlich nicht auslassen. Das war dann auch mein nächster Programmpunkt, und ich hatte trotz heftigem Wind endlich Sonnenschein, was sich positiv auf die Qualität meiner Fotos auswirkte.
Am Straßenrand tauchen immer wieder halbzerstörte Bretterbuden und in den wenigen Ortschaften auch Autowracks aller Baujahre auf, doch die karge Landschaft ändert sich kaum.
Nächste Station ist Santa Rosa, das mit einer Vielzahl von Motels und Cafes wesentlich einladender wirkt, als viele andere Orte an der 66. Die Preise für eine Übernachtung bewegen sich zwischen 18 und 25 $, und ich entscheide mich dann nach längerem hin und her für das Tower Motel.
Am nächsten Morgen entdecke ich vor der Ortsausfahrt einen halbzerlegten ´37-er Chevy, und fahre nach kurzer Begutachtung desselben weiter nach Las Vegas, New Mexico.
Die unweit der ursprünglichen Route 66 (vor 1937) gelegene Stadt ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Die renovierten alten Gebäude an der Plaza und die pittoresken Antiquitätenläden und Cafes
sind eine willkommene Abwechslung vom sonst eher tristen Einerlei entlang der historischen Strasse. Ich bin trotz der Frische am Morgen richtig froh, einmal aus dem Auto austeigen und einen kleinen Spaziergang machen zu können, denn dafür ist Las Vegas wie geschaffen. Nach einem gemütlichen Frühstück in einem mexikanischen Cafe verlasse ich die Stadt und fahre weiter nach Westen.
Mittagessen in Albuquerque im irisch angehauchtem Bennigan´s (gute Steaks, schnelle Bedienung), dann weiter auf der I-40/66 durch Mesita, Laguna, Grants, usw. .
Die immer häufiger werdenden Trading Posts erweisen sich bei näherem Hinsehen als sehr verkitscht und tourismusorientiert. Die Auswahl an echtem Indianerschmuck und sonstigen Souvenirs ist jedoch groß genug, sodaß sich auch etwas dezenteres finden läßt.
Vor allem in Gallup reiht sich ein Laden an den anderen, und am Abend sieht die Stadt aus, wie ein kleines Las Vegas (das in Nevada, wohlgemerkt).
Die nächste Übernachtung ist in Holbrook geplant, doch 25 km vor der Stadt heißt es erst einmal warten: Megastau mitten in der Wüste, ohne irgendwelche Ausweichmöglichkeiten, und das um 7 Uhr Abends. Es ist saukalt und nach einer Stunde kompletten Stillstands erkundige ich mich bei einem der vielen Trucker schließlich nach dem Grund: Ein Truck ist ca. 2 Meilen vor uns mit einem Campingvan kollidiert und komplett ausgebrannt. Die Trümmer der 2 Fahrzeuge blockieren nun beide Fahrstreifen und die Räumungsarbeiten dauern noch mindestens eine Stunde.
Nach über 3 Stunden und einigen interessanten Gesprächen mit den Leidensgenossen um mich herum ist dann endlich eine Fahrspur frei und ich komme in Holbrook an.
Mein Vorhaben, im berühmten Wigwam Motel zu übernachten, muß ich jedoch aufgeben, da die Rezeption nur bis 22 Uhr offen hat. So entscheide ich mich für ein gewöhnliches Motel und erfahre dort, daß ich mit 3 Stunden Stau noch Glück gehabt habe - andere standen 4 Stunden und länger. Ich schätze die Länge des Staus auf mindestens 30-40 Km.
Am nächsten Morgen habe ich dann Gelegenheit, mir das Wigwam Motel genauer anzusehen. Vor den meisten Wigwams stehen als Dekoration Autos der 50-er und 60-er Jahre, und mein Chrysler fügt sich perfekt in dieses Bild ein. Überhaupt hat Holbrook dem Route 66-Reisenden einiges zu bieten. Der Petrified Forest mit seinen versteinerten Bäumen und die vielen Souvenirläden und Cafes sind auf jeden Fall einen Besuch wert.
Es wurde immer kälter und in Flagstaff begrüsste mich der erste Schnee. Die Strasse war jedoch trocken, und ich verließ die Stadt wieder auf schnellstem Wege.
Zwischen Ash Fork und Kingman folgte dann sicher eines der attraktivsten Teilstücke der Route 66, hindurch durch eine goldgelbe Landschaft gesprenkelt mit Wacholderbüschen und Wildblumen.
In Seligman lebt die alte Strasse wieder richtig auf, mit Souvenirläden, Cafes und Tankstellen, auch wenn der Ort für meinen Geschmack schon wieder zu kitschig wirkt.
Peach Springs, Truxton und Valentine sind kleine Ortschaften, die außer ein paar Autowracks in der zugegeben romantisch anmutenden Westernlandschaft wenig zu bieten haben.
Interessanter ist Hackberry, desses Visitor Center mit allerlei Kuriositäten aus vergangenen Route 66-Tagen lockt.
Nach Kingman entschied ich mich, weiter auf der 66 zu bleiben und durch Oatman und Ed´s Camp bis nach Needles zu fahren. Nach einigen Meilen wurde mir jedoch der armselige Zustand meiner Stoßdämpfer wieder einmal bewußt, da diese Gebirgstrecke zwar sehr schön, aber überhaupt nicht auf ein
2-Tonnen Fahrzeug mit kaputter Aufhängung zugeschnitten ist. Mit der vorsichtigen Fahrweise eines erfahrenen Alpenbewohners und begleitet vom ständigen Quitschen und Knarren meines Vehikels schaffte ich jedoch auch diesen Abschnitt und war am Ende sogar froh, diese tolle Landschaft gesehen zu haben.
Mir und meinem Auto zuliebe blieb ich ab Needles auf der Interstate, nicht zuletzt auch weil ich den kalifornischen Teil der 66 schon kannte.
Nach gutem Abendessen im Golden Dragon Chinese Restaurant in Barstow kam ich spät Abends wieder am Ausgangspunkt meiner Reise, Los Angeles, an. Ich hatte es ohne nennenswerte Probleme geschafft, in 3 Wochen über 9000 km mit einem 34 Jahre alten Auto zurückzulegen und muß sagen, daß sich die Reise absolut gelohnt hat. Es ist halt etwas ganz anderes, als sich einfach ein Gebrauchtfahrzeug in Europa zu kaufen.
Kescha Platonow